Willehard Schomberg beherrscht einen klangvollen Beruf

Orgelbau? Ist Erfüllung!

23.06.2021

„Meine Arbeit bedeutet für mich Erfüllung." Wenn Willehard Schomberg vom Orgelbau erzählt, wird klar: Er hat ­da­rin seinen Traumberuf gefunden. Die Überzeugung und Leidenschaft des gelernten Orgelbaumeisters spiegeln sich nicht zuletzt in der Beschreibung seines Lieblingsexemplars. Es steht in der Hamburger Sankt-Jacobi-­Kirche und stammt von Schombergs Vorbild Arp Schnitger. In einem der seltenen Momente, in denen er in seiner Orgelbauwerkstatt in Friesoythe nicht an der Werkbank steht, sondern am Schreibtisch sitzt, sagt er: „Mich begeistern neben der Optik die technische Verarbeitung und der beeindruckende Klang, vor allem in Anbetracht der damaligen Möglichkeiten."

VIELFALT In Willehard Schombergs Werkstatt lagern Hunderte von Orgelpfeifen. Jede steht für einen anderen Klang. Nicht nur der Bau neuer Orgeln gehört zu Schombergs Aufgaben. Häufig muss er sich auch um die Wartung, Stimmung, Reinigung, Reparatur und Restauration von Orgeln kümmern.

Der Bezug zur Musik war von klein auf da – der Vater Musiklehrer, ehrenamtlicher ­Organist und Chorleiter, die Mutter Chor­sängerin. Schomberg selbst hat über drei Jahre lang Klavier gelernt. Die Orgel oder ein anderes Tasteninstrument zu beherrschen sei für einen Orgelbauer jedoch gar nicht so entscheidend: „Es braucht ein gutes Gehör und musikalisches Gespür, aber meine Arbeit besteht zu einem überwiegenden Teil aus handwerklichen Tätigkeiten", lautet eine Erkenntnis.

Welche Fähigkeiten es dagegen vor ­allem braucht? Wissen zu den verwendeten Materialien wie Holz, Metall und Leder, zu Statik, Pneumatik, Elektrik, Mechanik und Akustik sowie handwerkliches Geschick. Wie muss die ­Orgel beschaffen sein und eine Pfeife bearbeitet werden, damit sie den gewünschten Klang erzeugt – um diese Frage drehen sich so gut wie alle Handgriffe. Die Antwort darauf ist komplex. „Klang wird durch viele unterschiedliche Komponenten bestimmt, zum Beispiel durch Material, Form, Mensur und Kern, Ober- und Unterlabium der Pfeife", führt Willehard Schomberg aus. Er greift sich ein Exemplar aus dem ­Regal, in dem sich Orgelpfeifen zu Hunderten stapeln, und zeigt, welche Stelle mit dem jeweiligen Fachbegriff gemeint ist.

Sein Wissen und seine Erfahrung gibt der gebürtige Elisabethfehner gerne weiter. Zwei junge Männer sind bei ihm in die Lehre gegangen. Sein eigenes Vorbild, der 1719 verstorbene Arp Schnitger, konnte Schomberg nicht kennenlernen. Nach seiner dreijährigen Ausbildung in Ostfriesland ging es für ein halbes Jahr nach Dresden zur Orgelwerkstatt von ­Kristian Wegscheider, der als Spezialist für Gottfried-Silbermann-Orgeln bekannt ist, dem „Arp Schnitger Sachsens".

PUZZLE Jedes Teil muss passen, denn der Klang wird durch viele Komponenten bestimmt.

2004 entschied er, sich mit einer eigenen Werkstatt selbstständig zu machen. Je nach Auftragslage beschäftigt Willehard Schomberg bis zu drei freiberufliche Orgelbauer, die ihn nicht nur beim Bau, sondern vor allem bei der Wartung, Stimmung, Reinigung, Reparatur und Restauration von Orgeln ­unterstützen. Denn: Ein Orgelbauer wird nicht nur mit der Herstellung eines neuen Instruments beauftragt. „Das kommt zwar vor, allerdings eher ­selten", erzählt Schomberg von seinem Arbeits­alltag. Erhält er einen solchen Auftrag, füllt dieser ihn und sein Team mindestens ein ganzes Jahr aus. Und am Ende auch den Orgelsaal, der sich an die Werkstatt anschließt. Hier baut Schomberg die Orgel aus den fertigen Teilen zusammen. Er zeigt auf den Saalboden: „Falls nötig entferne ich Planken, um Höhe durch den Keller zu gewinnen." Mehrere Meter kann allein die Länge einer einzelnen Pfeife betragen.

Entsprechend aufwändig ist der Transport, auch weil die Orgelteile empfindlich sind. „Das kann keine Spedition, deshalb übernehmen wir ihn selbst", stellt Willehard Schomberg fest. Ein weiterer spannender Moment ist die fachliche Beurteilung des Instruments. Ist die fertige Orgel am gewünschten Ort – in der ­Regel eine Kirche – installiert, nimmt ein Sachverständiger das Ergebnis ab. „Im Orgelsaal der Werkstatt sind die klanglichen Voraussetzungen natürlich andere", erklärt Schomberg. „Ob das Instrument auch unter den finalen Umständen überzeugt, bereitet mir nochmal ­einen kurzen Nervenkitzel." Alles entscheidend: der Klang. Wie er sich gestaltet, bestimmt der Auftraggeber, etwa barock oder romantisch, mit ausgeprägten Grund- oder Teiltönen.

Die Überzeugung und Leidenschaft, mit der Orgelbaumeister Willehard Schomberg seiner Arbeit nachgeht, braucht er auch. Denn einfach ist es nicht, sich eine Existenz mit diesem Handwerk aufzubauen. „Seit den 1970er Jahren wird der Markt kleiner, weil die Kirchen geschlossen werden", bedauert Schomberg. Nicht zuletzt die Tatsache, dass er die einzige Orgelbauwerkstatt im Oldenburger Münsterland betreibt, ist ein Beleg dafür. Umso wichtiger sei das Signal, das die UNESCO mit der Ernennung des Orgelbaus zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit im Jahr 2017 gesendet habe. Und umso schöner ist, dass Schomberg mit seiner tiefgehenden Expertise, seiner handwerklichen Begabung und seinem Gespür für Orgelkörper und -klang zum Erhalt dieser Kultur beiträgt.