Europas modernste Pferdeklinik

All About the Horse

Autor*in: Lisa Knoll

Wie bewegt sich das Pferd? Läuft es ­endlich wieder rund? Oder ist es noch beeinträchtigt? Dr. Franziska ­Kremer will sich nicht allein auf ihr Auge ­verlassen. Deshalb arbeitet sie mit dem von der ­schwedischen Firma Qualisys entwickelten Equine Motion System.

BISSFEST Vorsorge ist auch bei Pferden wichtig. Einmal jährlich sollten sie deshalb dem Zahnarzt zur Kontrolle vorgestellt werden.

Zwanzig Spezialkameras sind an der Decke der Reithalle installiert und ­liefern die Bilder für eine objektive und präzise Bewegungsanalyse.

Wir sind in der Tierklinik Lüsche, Dr. Kremer arbeitet hier im Fachbereich Orthopädie. Sie behandelt Pferde, die an Gelenk- und Knochenerkrankungen, Haltungsschäden oder Lahmheit leiden.

Getreu dem Motto „It's All About the Horse", das in großen Lettern am Eingang des weitläufigen Geländes prangt, wird für die ­vierbeinigen Patienten eine Rundum­betreuung geboten. Seit der Eröffnung im Jahr 2001 ist die Klinik kontinuierlich gewachsen. Mittler­weile kümmern sich rund 100 Mitarbeiter ­(darunter allein 35 Ärzte) um das Wohl der Pferde. Im ­Alltag sind es gleichermaßen Reitsport­profis und Hobbyreiter, die ihre Schützlinge in die verantwortungsvollen Hände der Tierärzte und Pfleger geben. Neben einer 24h-Notfallbereitschaft werden zehn Fachbereiche abgedeckt: von A wie Augenheilkunde bis Z wie Zahn­be­handlung.

Ein so breitgefächertes Leistungsspektrum spricht sich herum. Daher kommen die Patienten nicht nur aus der Region, sondern auch aus Skandinavien und Osteuropa, aus den USA, Asien und dem arabischen Raum zur Behandlung. Auch die deutschen Olympiateams lassen ihre Pferde regelmäßig in Lüsche ­durchchecken.

Zurück zu Dr. Kremer in die Reit­halle. „Wir befestigen Marker an Kopf, Becken und Rücken des Pferdes. Sie werden von den Kameras erfasst und dann in 3D auf den Computer übertragen", erklärt die Spezialistin. „Zusätzlich zu unserer subjektiven Einschätzung als Tierärzte erhalten wir dadurch eine objektive Analyse der Bewegungsabläufe." Jede noch so kleine ­Unregelmäßigkeit wird durch das ­System angezeigt, „sodass wir unsere Therapie ­darauf abstimmen können". Es bietet zudem die ­Möglichkeit, die Bewegung von mehreren Punkten aus verschiedenen Winkeln gleichzeitig zu messen.

Dieses innovative Verfahren wird in nur wenigen Kliniken weltweit angeboten. Das ­Equine Motion System hilft den Tierärzten nicht nur bei der Behandlung lahmender ­Pferde, sondern ermöglicht auch eine vorbeugende Analyse des Bewegungsapparates, um ­Knochenfehlstellungen und andere orthopädische Erkrankungen frühzeitig erkennen und zielgerichtet therapieren zu können. Außerdem wird das Programm als Teil des Gesundheitschecks für zum Verkauf stehende Tiere eingesetzt.

„It's All About the Horse"

Für den exzellenten Ruf des Hospitals gibt es einen weiteren Grund: Man kümmert sich hier nicht nur um alltägliche Erkrankungen, sondern forscht auch unermüdlich an neuen Krankheitsbildern, zum Teil in Kooperation mit Universitäten in Uppsala und Utrecht sowie der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Ein Beispiel: Im Frühjahr 2019 wird in Lüsche das deutschlandweit erste Schlaflabor für Pferde eingerichtet. Nicht nur für Menschen können Schlafstörungen zu einem erheblichen Problem werden, denn auch Pferde können unter dieser neuronal bedingten Störung der Schlaf-Wach-Regulation leiden: „Man hat in der Vergangenheit nicht nur einmal beobachtet, dass Pferde aus dem Nichts anfallartig zusammenbrechen, zu ungewohnter Aggressivität neigen oder plötzlich Haltungs­schäden entwickeln", erklärt Dr. Franziska Kremer. „Dass die Tiere gleichermaßen unter Schlaf­mangel und Erschöpfung leiden können wie ­Menschen, ist in diesem Zusammenhang aber eine ­vergleichsweise neue Erkenntnis."
Im Stehen verfallen die Fluchttiere naturgemäß in einen nur wenige Minuten andauernden Dämmerschlaf. Die deutlich erholsameren, etwa dreistündigen Tief­schlafphasen können hingegen nur liegend, also bei völliger ­Entspannung, erfolgen. Schon ein Ortswechsel oder ein zu hoher Geräuschpegel im Offenstall hat ­möglicherweise zur Folge, dass ­lärm­empfindliche Pferde sich in ihrer Box nicht mehr ablegen und mit der Zeit zunehmend unter Schlafmangel leiden.

Im neuen Schlaflabor werden Herzschlag, Hirnströme und Muskeltonus gezielt ­überwacht, um daraus die richtigen und notwendigen Maßnahmen abzuleiten und dem Tier seine lebenswichtigen Ruhephasen zurückzugeben. „Wir möchten Pferdehalter dafür sensibilisieren, dass Schlafmangel nicht allein ein menschliches Problem ist, sondern auch Pferde davon betroffen sein können", erklärt Dr. Kremer. „Das hilft letztlich nicht nur dem Tier, sondern auch seinem Besitzer, damit er mögliche Wesens­veränderungen des Pferdes besser einordnen und verstehen kann."

Klare Sache: Ihr Leitmotiv haben die Gründer der Tierklinik Lüsche klug gewählt. „It's All About the Horse". Stimmt tatsächlich.

 

UPDATE 12/2019: Die Tierklinik Lüsche hat den Innovationspreis des Verbund Oldenburger Münsterland gewonnen. Hier gehts zum Gewinnervideo und weiteren Informationen.

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