Zwanzig Spezialkameras sind an der Decke der Reithalle installiert und liefern die Bilder für eine objektive und präzise Bewegungsanalyse.
Wir sind in der Tierklinik Lüsche, Dr. Kremer arbeitet hier im Fachbereich Orthopädie. Sie behandelt Pferde, die an Gelenk- und Knochenerkrankungen, Haltungsschäden oder Lahmheit leiden.
Getreu dem Motto „It's All About the Horse", das in großen Lettern am Eingang des weitläufigen Geländes prangt, wird für die vierbeinigen Patienten eine Rundumbetreuung geboten. Seit der Eröffnung im Jahr 2001 ist die Klinik kontinuierlich gewachsen. Mittlerweile kümmern sich rund 100 Mitarbeiter (darunter allein 35 Ärzte) um das Wohl der Pferde. Im Alltag sind es gleichermaßen Reitsportprofis und Hobbyreiter, die ihre Schützlinge in die verantwortungsvollen Hände der Tierärzte und Pfleger geben. Neben einer 24h-Notfallbereitschaft werden zehn Fachbereiche abgedeckt: von A wie Augenheilkunde bis Z wie Zahnbehandlung.
Ein so breitgefächertes Leistungsspektrum spricht sich herum. Daher kommen die Patienten nicht nur aus der Region, sondern auch aus Skandinavien und Osteuropa, aus den USA, Asien und dem arabischen Raum zur Behandlung. Auch die deutschen Olympiateams lassen ihre Pferde regelmäßig in Lüsche durchchecken.
Zurück zu Dr. Kremer in die Reithalle. „Wir befestigen Marker an Kopf, Becken und Rücken des Pferdes. Sie werden von den Kameras erfasst und dann in 3D auf den Computer übertragen", erklärt die Spezialistin. „Zusätzlich zu unserer subjektiven Einschätzung als Tierärzte erhalten wir dadurch eine objektive Analyse der Bewegungsabläufe." Jede noch so kleine Unregelmäßigkeit wird durch das System angezeigt, „sodass wir unsere Therapie darauf abstimmen können". Es bietet zudem die Möglichkeit, die Bewegung von mehreren Punkten aus verschiedenen Winkeln gleichzeitig zu messen.
Dieses innovative Verfahren wird in nur wenigen Kliniken weltweit angeboten. Das Equine Motion System hilft den Tierärzten nicht nur bei der Behandlung lahmender Pferde, sondern ermöglicht auch eine vorbeugende Analyse des Bewegungsapparates, um Knochenfehlstellungen und andere orthopädische Erkrankungen frühzeitig erkennen und zielgerichtet therapieren zu können. Außerdem wird das Programm als Teil des Gesundheitschecks für zum Verkauf stehende Tiere eingesetzt.
„It's All About the Horse"
Für den exzellenten Ruf des Hospitals gibt es einen weiteren Grund: Man kümmert sich hier nicht nur um alltägliche Erkrankungen, sondern forscht auch unermüdlich an neuen Krankheitsbildern, zum Teil in Kooperation mit Universitäten in Uppsala und Utrecht sowie der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Ein Beispiel: Im Frühjahr 2019 wird in Lüsche das deutschlandweit erste Schlaflabor für Pferde eingerichtet. Nicht nur für Menschen können Schlafstörungen zu einem erheblichen Problem werden, denn auch Pferde können unter dieser neuronal bedingten Störung der Schlaf-Wach-Regulation leiden: „Man hat in der Vergangenheit nicht nur einmal beobachtet, dass Pferde aus dem Nichts anfallartig zusammenbrechen, zu ungewohnter Aggressivität neigen oder plötzlich Haltungsschäden entwickeln", erklärt Dr. Franziska Kremer. „Dass die Tiere gleichermaßen unter Schlafmangel und Erschöpfung leiden können wie Menschen, ist in diesem Zusammenhang aber eine vergleichsweise neue Erkenntnis."
Im Stehen verfallen die Fluchttiere naturgemäß in einen nur wenige Minuten andauernden Dämmerschlaf. Die deutlich erholsameren, etwa dreistündigen Tiefschlafphasen können hingegen nur liegend, also bei völliger Entspannung, erfolgen. Schon ein Ortswechsel oder ein zu hoher Geräuschpegel im Offenstall hat möglicherweise zur Folge, dass lärmempfindliche Pferde sich in ihrer Box nicht mehr ablegen und mit der Zeit zunehmend unter Schlafmangel leiden.
Im neuen Schlaflabor werden Herzschlag, Hirnströme und Muskeltonus gezielt überwacht, um daraus die richtigen und notwendigen Maßnahmen abzuleiten und dem Tier seine lebenswichtigen Ruhephasen zurückzugeben. „Wir möchten Pferdehalter dafür sensibilisieren, dass Schlafmangel nicht allein ein menschliches Problem ist, sondern auch Pferde davon betroffen sein können", erklärt Dr. Kremer. „Das hilft letztlich nicht nur dem Tier, sondern auch seinem Besitzer, damit er mögliche Wesensveränderungen des Pferdes besser einordnen und verstehen kann."
Klare Sache: Ihr Leitmotiv haben die Gründer der Tierklinik Lüsche klug gewählt. „It's All About the Horse". Stimmt tatsächlich.
UPDATE 12/2019: Die Tierklinik Lüsche hat den Innovationspreis des Verbund Oldenburger Münsterland gewonnen. Hier gehts zum Gewinnervideo und weiteren Informationen.