Bundesliga, wir kommen!

Schiedsrichterausbildung im Oldenburger Münsterland

10.10.2024
Autor: Claus-Spitzer-Ewersmann

Aufgeregt? „Ja, schon ein bisschen“, sagt Pia Bußmann mit einem fröhlichen Lachen. Die Schülerin will Schiedsrichterin werden. Fußballschiedsrichterin. Vier Wochen lang hat sie zu Jahresanfang die zehn dafür vorgesehenen Einheiten beim Lehrgang in der Sportschule Lastrup besucht. Pia ist ehrgeizig. „Ich will nach oben, möglichst hoch pfeifen“, betont sie. The Sky is the Limit. Vorerst aber liegt ihr Schicksal in den Händen von Prüfer Andreas Robke vom Niedersächsischen Fußballverband. Gerade hat sie ihm ihren Prüfungsbogen mit Antworten auf 30 Fragen in die Hand gedrückt. Fünf Fehler darf sie sich erlauben. Jetzt wartet sie auf die Auswertung.

Stunde der Wahrheit Um Referee werden zu können, sollten zunächst mindestens 25 von 30 Fachfragen richtig beantwortet werden.

2023 hatte der Deutsche Fußballbund das „Jahr der Schiris“ ausgerufen. Mit vielfältigen Aktionen wollte man der rückläufigen Zahl an Unparteiischen begegnen, die vor allem dem Amateurfußball zu schaffen macht. Im Kreis Cloppenburg beispielsweise fehlen zurzeit etwa 100 Unparteiische, rechnet Obmann Sebastian Möller vor. Konsequenz: Immer wieder bleiben Spiele unbesetzt, müssen sich die beteiligten Mannschaften selbst einigen. Vor allem die Jugendklassen leiden darunter.

In Cloppenburg versucht man gegenzusteuern, zum Beispiel mit einer Kampagne in den sozialen Medien. Lohn der Mühe: Zum Lehrgang 2024 liegen mehr als 50 Anmeldungen vor. Immerhin 46 sportliche junge Menschen finden sich am Prüfungsabend ein. „Eine gute Quote“, bestätigt Lehrwart Fabian Einhaus. Er hat den Kandidat:innen in den Wochen zuvor den Job auf dem grünen Rasen haargenau erklärt und ihnen mit seinem Team die Feinheiten der 17 grundlegenden Fußballregeln (mehr sind es tatsächlich nicht) erläutert. Gelegentlich schaute an den Ausbildungsabenden auch mal der Bundesliga-Unparteiische Frank Willenborg oder die Zweitliga-Schiedsrichterin Sarah Willms vorbei.

Am Prüfungsabend zeigt der Blick in die Runde: Fast die Hälfte der Teilnehmenden dürfte vermutlich noch A- oder gar B-Jugend spielen. Doch auch ein paar ältere Semester rutschen vor der Prüfung nervös auf ihren Stühlen herum. Zum Beispiel Timo Stammermann. Er hat selbst lange Zeit gegen den Ball getreten, ist heute Trainer der 1. Damenmannschaft des FC Lastrup. „Immer wenn der Schiri etwas falsch macht, denke ich, ich kann das besser“, sagt er zu seiner Motivation, den Lehrgang zu besuchen. Als zwei Freunde beim Kegelabend erklären, sie wären auch dabei, ist die Sache entschieden. Die Kumpels sitzen mit im Raum, darunter mit Dr. Ansgar Rüter auch ein Zahnarzt aus Cloppenburg. Er hat sich von seinem Sohn überzeugen lassen – und wäre zur Prüfung wegen eines Patienten fast zu spät gekommen. Am Ende wird das Trio bestehen.

"Was die anderen können, kann ich vielleicht besser"

sagt Neuschiedsrichter Timo Stammermann.
© GERALD LAMPE

„Zum Schiri ist man nie zu alt“, meint Lehrwart Einhaus. 14 ist das Einstiegsalter. „Aber wir hatten im letzten Jahr auch schon jemand dabei, der war über 60.“ Die ganz jungen Neulinge werden zunächst bei Spielen der D-Jugend eingesetzt, können sich dann langsam hochpfeifen. Wer wirklich Ambitionen habe, merke man schnell. Ein bestimmtes Auftreten sei erforderlich, allerdings ohne sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Das schaffen nicht alle, die Absprungquote sei leider zu hoch.

Für Pia Bußmann ist Aufgeben keine Option. Die 14-Jährige ist eines von drei Mädchen im Kurs. Selbst in der B-Jugend aktiv, ist sie nicht nur ehrgeizig, sondern auch selbstbewusst. „Ich will nicht so viel mit den Schiris auf dem Platz meckern, sondern zeigen, dass ich mindestens genauso gut pfeifen kann.“ Gibt es Fußball im Fernsehen, achte sie inzwischen weit mehr auf die Unparteiischen als auf die Spieler:innen. Die Regeln hat sie ohnehin drauf. Die Zwischenprüfung bestand sie ohne Fehler. Selbst auf skurrile Fragen wie „Eine Juniorenmannschaft möchte wegen kalten Wetters in Trainingsanzügen spielen. Muss der Schiedsrichter das zulassen?“ wusste sie die richtige Antwort: „Ein klares Ja!“

Einer, der das aus eigener Erfahrung wissen sollte, ist Pascal Kleine. Der 32-Jährige ist ein Wiedereinsteiger. „Ich habe fünf Jahre Pause gemacht“, erklärt er. In solchen Fällen sieht das Regelwerk eine Wiederholungsprüfung vor. „Aber ich musste nicht an den zehn Lehrabenden teilnehmen, sondern durfte mich in Eigenregie vorbereiten.“ Dabei geholfen hat ihm eine App, die 180 Fragen bereithält. „Die App ist super“, bestätigt Pia Bußmann.

Bestnote Pia Bußmann wird als Lehrgangsbeste besonders ausgezeichnet.

Am Ende des Abends ruft Schiedsrichter-Obmann Sebastian Möller alle auf, die die Prüfung bestanden haben, und händigt ihnen neben einer Urkunde ein Set mit gelber und roter Karte aus. Der Name, der nicht fällt, ist der von Pia Bußmann. Durchgefallen? So wie acht der 46 Prüflinge? Sebastian Möller macht es spannend. „Und dann kommen wir zu unserer Lehrgangsbesten … Pia Bußmann!“ Die Schülerin strahlt. Nur eine Frage hat sie tatsächlich falsch beantwortet. Nicht schlimm, bei genau dieser lag niemand aus der Gruppe richtig. Und dass es ein Fehler mehr ist als beim Zwischentest? „Das kann ich verkraften“, sagt die Schülerin und lacht wieder einmal. Man wird von ihr hören.

Mann zeigt gelbe Schiedsrichterkarte © GERALD LAMPE

Schiri werden

Wer sich vorstellen kann, als Fußballschiedsrichter:in aktiv zu werden, sollte sich zunächst beim Obmann des Vereins melden. Dieser wird dann die weiteren Schritte in die Wege leiten.

Weitere Informationen gibt es auf den Webseiten des Kreises Cloppenburg www.nfv-kreis-clp.de bzw. Vechta www.kreis-vechta.nfv.de.

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