Oldies but Goldies

Oldtimer im Oldenburger Münsterland

10.10.2024
Autorin: Alke zur Mühlen

Was motiviert Menschen, freitags über Nacht mit dem Wohnmobil aus Österreich nach Lastrup zu fahren, um dort in einem Industriegebiet zu campen? „Ganz einfach: Wenn morgens das Tor aufgeht, sind Oldtimer-Fans im siebten Himmel“, erklärt Patrick Kordes. Innerhalb weniger Jahre hat sich sein Unternehmen OM-Classics zur Pilgerstätte entwickelt. Für Sammler:innen, Hobby-Schrauber:innen und Menschen, die einmal ihre Idole aus dem Fernsehen sehen wollen. Aber dazu später mehr.

Experte Patrick Kordes zeigt gerne seine Schätzchen - auch im TV.

Mit dem Opel Manta entspannt über die Landstraße cruisen – diesen Jugendtraum erfüllen sich gerade viele Menschen. Gut erhaltene Fahrzeuge der 1970er und 80er Jahre steigen vergleichsweise stark im Preis, so ein Ergebnis der letzten Classic-Car-Studie. Die Motivation: Nostalgie, Spaß am Schrauben, Freude am Auffallen oder das Gemeinschaftsgefühl der Old- und Youngtimer-Community. Und auch viele Schaulustige erfreuen sich am „Garagengold“ auf den Straßen, unabhängig davon, wie die alltägliche Mobilität gestaltet wird. Die steigende Zahl der Fahrzeuge mit H-Kennzeichen macht sie zum Wirtschaftsfaktor. Die rund eine Million Oldtimer in Deutschland haben einen Gesamtwert von 31 Milliarden Euro – und ein Reparatur- und Wartungsvolumen von etwa 3,8 Milliarden Euro. Rund 10.000 Beschäftigte arbeiten in Werkstätten, die auch Classic Cars reparieren. Dazu kommen um die 50 spezialisierte Teile- und Fahrzeughändler. Auch im Oldenburger Münsterland.

„Die Idee war so simpel. Keine Ahnung, warum das vorher keiner gemacht hat.“ Dabei hatten auch Patrick Kordes und sein Geschäftspartner Andreas Kathmann alles viel kleiner geplant. In der Pandemie stellt der gelernte Mechaniker, damals im Werkstattbedarf beschäftigt, seinen Job in Frage: „Das kann doch noch nicht alles gewesen sein, habe ich gedacht.“ Privat hat er immer mal wieder ein altes Auto gekauft, instandgesetzt und wieder verkauft. Mit Kumpel Kathmann beschließt er, ein Geschäft daraus zu wagen. „Zwei Autos im Monat hatten wir geplant. Nach drei Monaten hatten wir bereits 15 verkauft.“

Von der anfangs gemieteten Industriehalle ohne Heizung oder Toiletten geht es an den Eichengrund in Lastrup. „Heute ist das eine der größten Hallen Deutschlands für Young- und Oldtimer“, ist Kordes stolz. Werkstatt, Aufbereitung und Sattlerei sind integriert. Sechs Festangestellte wecken historische Schätzchen aus ihrem Dornröschenschlaf. „Unser Meister ist Jahrgang 1998 und Vollblutschrauber. Der älteste Mitarbeiter ist fast 70 Jahre alt. Wir ergänzen uns perfekt. Und wir haben ein großes Netzwerk.“ Abschleppwagen „Emma“, ein LT 55 aus dem Baujahr 1990, liefert fünf Tage die Woche Autos aus. „Egal ob die Fahrzeuge 5.000 Euro kosten oder 70.000: Man erfüllt sich immer einen Traum damit“, schwärmt der Unternehmensgründer. Klar, dass auch er am liebsten auf der Straße entspannt. Zum Beispiel in seinem roten Golf 2 GTI. „Das ist einfach geil.“

Gestern und heute Die Oldtimerfreunde Poggenschlot legen Wert darauf die Entwicklung der vergangenen Jahre und Jahrzehnte aufzuzeigen.

Mit weit weniger PS unterwegs, aber ebenso begeistert sind die Oldtimerfreunde Poggenschlot in Essen mit ihren historischen Traktoren und Arbeitsmaschinen. „Wer bei uns mitmachen möchte, braucht aber keinen eigenen Trecker. Und auch keine Ahnung davon. Es reichen Interesse und Lust, sich einzubringen“, erklärt Bernhard Rump-Halenkamp. Und fügt gleich hinzu: „Bei uns kann man nicht mal Mitglied werden oder austreten, es ist alles ganz zwanglos. Wir haben keinen Verein gegründet.“ Bewegt wird trotzdem eine Menge. Oder vielleicht gerade deswegen?

Die Idee entsteht um 2001 in der später auch namensgebenden Gaststätte Poggenschlot. „Ich saß mit Bekannten zusammen, alle mit Interesse an alten Landmaschinen. Wir wollten mal einen lockeren Stammtisch für Rost- und Dieselgespräche ausprobieren“, erinnert sich Rump-Halenkamp. Schon 2004 organisiert die Gruppe ein erstes Oldtimer-Treffen mit Traktoren, Autos und anderen Fahrzeugen – ein voller Erfolg. „Da haben wir richtig Bock bekommen, das professioneller aufzuziehen.“ Immer wieder gibt es seitdem eigene Aktionen, Ausfahrten, Besuche anderer Treffen. Sogar einen eigenen Wandkalender mit allen Terminen darin. Es machen Menschen zwischen 15 und weit über 80 Jahren mit. Längst nicht alle haben einen Bezug zur Landwirtschaft. „Viele würden sich im Alltag vermutlich nie begegnen. Und trotzdem sind wir eine tolle Gemeinschaft.“ Eine, die sich natürlich auch beim Schrauben unter die Arme greift.

Ortswechsel nach Lohne: Jede Szene hat ihre Expert:innen. Wer Fragen zur Automobilgeschichte im Oldenburger Münsterland hat, wird schnell an Norbert Hilker verwiesen. Der hat über Jahrzehnte nicht nur unzählige Fahrzeuge gesammelt und restauriert. Seine Sammelleidenschaft geht weit darüber hinaus. Auf etwa eintausend Quadratmetern finden sich auch Schreib- und Nähmaschinen, Zapfsäulen, sogar ein Frisörsalon aus den 1950er Jahren. Interesse an alten Fahrzeugen hatte Hilker von Kindheit an. Klar, dass er auch am Mofa geschraubt hat. Sein Vater ist Dreher, fertigt ihm so manche Scheibe an. Mit Autos geht es weiter. „Damals war es normal, dass der erste Wagen gerade noch TÜV hatte.“ Da passt es gut, dass Hilker bei der Bundeswehr in der Werkstatt Lehrgänge absolvieren kann. Den Rest bringt er sich selbst bei. „Früher haben wir von jedem Oldtimer-Treffen Ersatzteile mit nach Hause geschleppt. Das geht heute übers Internet viel einfacher“, freut sich der Hobbyschrauber, der im Hauptberuf Autoteilehändler war.

Hilker hat mit Hilfe seiner Familie so manches Wrack wieder auf die Straße gebracht. Ein Mercedes 170 S Baujahr 1950 macht den Anfang. Ein Lloyd Alexander TS, ein Fuldamobil, ein Borgward Hansa 2400 und viele weitere Modelle folgen. Über 30 Jahre wächst sein privates Museum in einer alten Tischlerei samt Möbelhaus. Jetzt ist ein Ende in Sicht: „Ich muss noch vier oder fünf Fahrzeuge restaurieren, dann ist die Sammlung voll. Mehr möchte ich auch nicht haben.“

Stolz Norbert Hilker ist eingefleischter Borgward-Fan und nennt mehrere Modelle sein eigen.

Geschraubt wird bei Hilkers am liebsten im Winter. Denn Sommerzeit ist Urlaubszeit. Das ein oder andere Schätzchen darf meist mit. Ob auf einer Reise oder auf dem Weg zum Oldtimer-Event: So ein Gespann zieht Blicke auf sich. Auch auf den Treffen in der Region. „Es ist ein Wahnsinn, was hier in den letzten Jahren auf die Straßen gekommen ist.“ Oldtimerevents boomen, werden zu Publikumsmagneten. Norbert Hilker ist (fast) immer mittendrin. Klar, aus Interesse. „Aber es ist auch praktisch. Man kann immer direkt bis auf den Platz fahren und hat einen Parkplatz“, fügt er schmunzelnd hinzu.“ Das Dinklager Oldtimertreffen an Himmelfahrt organisiert er selbst mit. „Trecker, Autos, Lkw oder Motorräder – es ist alles vertreten.“

Zurück nach Essen: Auch die Oldtimerfreunde Poggenschlot legen Wert darauf, einen Beitrag zur Gemeinschaft zu leisten. Ihre Lichterfahrt mit Nikolaus im Advent lässt nicht nur Kinderherzen höherschlagen. Auf Trettreckern, die der Klub umliegenden Kitas gestiftet hat, tun die Kleinen es ihren Vorbildern nach. Bei den zweijährlich stattfindenden Feldtagen wird der Blick immer auch nach vorn gewandt. „Egal, welches Thema wir haben, wir stellen immer alt und neu gegenüber. Damit man die Entwicklung sieht. Denn: Früher war nicht alles heile Welt“, betont Bernhard Rump-Halenkamp. Wenn das Pferdegespann neben einem Acht-Schar-Pflug oder das Trecker-Sägewerk neben einem modernen Holzspalter steht, entstehen Gespräche. Ebenso bei den Feldbegängen des landwirtschaftlichen Vereins, die die Oldtimerfreunde mit ihren Traktoren unterstützen: Fachtreffen, bei denen etwa die lokale Entwicklung der Bodenqualität analysiert wird. Für ihren beständigen Einsatz als Brückenbauer zwischen den Welten wurden die Oldtimerfreunde Poggenschlot deshalb 2023 als „Landwirt des Jahres“ ausgezeichnet.

2022 veranstaltet OM-Classics den ersten Charity Run. „Wir wollten das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden und haben zur Rundfahrt geladen. Das wurde ein schweinegeiler Tag“, erinnert sich Patrick Kordes. Über 100 Fahrzeuge rollten durch die Region, dabei eingeworbene Spenden gingen an lokale Organisationen. Diese Aktion, und auch die starke Präsenz in den sozialen Medien, machen die RTL-Gruppe auf die umtriebigen Spezialisten aufmerksam. „Erst dachten wir, die Anfrage wäre ein Fake.“ War sie aber nicht. Mit dem Format „Verkauft & Zugelassen – Die Autohändler“ wächst eine langjährige TV-Kooperation.

Inzwischen stehen die Dreharbeiten für die vierte Staffel an. Kein Grund, aufgeregt zu sein. „Da läuft nichts nach Drehbuch. Wir verstellen uns auch nicht. Wir drehen alles mit, Gutes wie Schlechtes.“ Der lockere Ton und die offene Art kommen an. So gut, dass es regelmäßig Fans in die Region verschlägt. Bei OM Classics dürfen sie nicht nur Fahrzeuge besichtigen, sondern auch darin probesitzen. Und staunen: Die ganze Halle ist zu einem 3-D-Wimmelbild geworden. Denn von seinen Ankaufstouren bringt Kordes auch allerlei historische Fundstücke mit – zum Beispiel eine Telefonzelle aus den 1980er Jahren.

„Rund tausend Menschen kommen im Monat zu uns. Viele nur zum Schauen, und das ist völlig okay.“ Ein Getränk und ein kurzes Benzingespräch gibt’s gratis. Arbeit sei das für ihn nicht. „Das macht einfach Spaß. Genauso wie die öffentlichen Termine zur Fahrzeugbegutachtung.“ Wenn einmal im Monat ganze Clubs zu Austausch und Bratwurst vom Grill nach Lastrup anreisen, ist Kordes ganz in seinem Element: im Oldtimer-Paradies.

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