Betriebsübergabe im Familienunternehmen

11.10.2024
Autorin: Vanessa Afken

Dass er einmal den Platz seines Vaters in der Geschäftsführung des Autohauses Südbeck in Cloppenburg einnehmen würde, war für Dennis Schrandt während der Schulzeit noch eine abstrakte Überlegung. Klar war jedoch: An der Autobranche hatte er schon immer großes Interesse. Während seiner Ausbildung zum Automobilkaufmann beim Autohaus Schwarte in Meppen nahm der Gedanke Form an. Vorerst bildete sich Schrandt aber zum Betriebswirt im Kfz-Gewerbe weiter und landete schließlich als Trainee bei der Kahle-Gruppe im hannoverschen Raum. „Dort habe ich neun Monate lang sämtliche Abteilungen durchlaufen und überall Einblick erhalten.“ Sei es die Kundenannahme am Counter, Mitarbeitenden- und Bewerbungsgespräche, als auch die Abläufe in der Geschäftsführung – Dennis Schrandt lernte alle Bereiche kennen.

Führungstrio Seit über 90 Jahren ist das Autohaus Südbeck im Oldenburger Münsterland zuhause. Die Chefetage bildet Dennis Schrandt mit seinem Vater Alfons Schrandt und Cousin Andreas Raker (v.r.).

Im März 2021 war es dann so weit: Der damals 25-Jährige stieg in die Geschäftsleitung des Autohauses Südbeck ein. Zu diesem Zeitpunkt waren es noch knapp drei Jahre bis zum inoffiziellen Renteneintritt seines Vaters Alfons Schrandt. „Manche bereiten sich zehn Jahre auf eine Übergabe vor, wir hatten nur drei. Deshalb war ich von Anfang an in allen Prozessen und Abläufen involviert“, berichtet Schrandt. Zusammen mit seinem Cousin Andreas Raker und Vater Alfons bildet er nun die Chefetage. Dennis Schrandt ist für die Geschäftsfelder Verkauf, Marketing und Personal zuständig – die Bereiche, in denen er auch schon viel Erfahrung in der Trainee-Zeit und bei der Weiterbildung zum Betriebswirt sammeln konnte. „So musste ich nicht von Null anfangen“, erklärt er. In den Anfangszeiten sei er viel bei seinen Geschäftspartnern mitgelaufen und habe aus seiner beobachtenden Rolle heraus sukzessive immer mehr Verantwortung übernommen. Im Umgang mit den Mitarbeitenden sei ihm stets wichtig gewesen zu zeigen, dass er mehr als „der Sohn von“ ist. „Es ist gut angekommen, dass ich durch meine Trainee-Zeit bereits jede Position im Unternehmen kenne. Ich bin wirklich kein Experte, habe aber ein gewisses Grundwissen.“ Diese Kommunikation auf Augenhöhe schätzen die Mitarbeitenden. 

Einstieg Schon in der Jugend machte Niko Brand (r.) Bekanntschaft mit der Firma seines Vaters, deren Geschichte 1930 auf dem Gelände einer Strohhülsenfabrik begann.

Wie wichtig es ist, das eigene Unternehmen von Grund auf zu kennen, weiß auch Niko Brand. In vierter Generation leitet er das 1930 gegründete Familienunternehmen Brand Qualitätsfleisch in Lohne. 2020 übernahm er die Geschäftsleitung vom Vater, war aber schon vorher dort tätig. „Das erste Mal vor rund 20 Jahren im Rahmen eines Ferienjobs. Da war ich 15 Jahre alt“, erinnert er sich. Über die Jahre hat er sowohl im Stall und am Schlachtband als auch in der Verwaltung und der Technik gearbeitet.

Nach seinem Maschinenbaustudium übernahm er schnell Verantwortung für anspruchsvolle, größere Projekte. Der Schritt in Richtung Geschäftsführung habe sich ganz natürlich durch Gespräche, Geschäftsreisen und gemeinsame Projekte mit seinem Vater entwickelt, verrät Brand. Ein striktes Konzept für die Betriebsübergabe gab es nicht, doch die frühe Übernahme von viel Verantwortung hat Niko Brand auf seine Aufgaben vorbereitet. „Ich war noch nicht offiziell Geschäftsführer, da hat mein Vater mich meinen ersten großen Kreditvertrag für ein von mir initiiertes Projekt unterschreiben lassen“, berichtet er. „Das hat mich damals einige schlaflose Nächte gekostet. Im Nachhinein habe ich durch diese Erfahrung gelernt, was es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen.“

Mit den Herausforderungen wachsen – das war nicht nur Niko Brands Credo bevor sondern auch nachdem er die Geschäftsleitung übernommen hat. Kaum ein Jahr war ohne Krise. COVID-19, die afrikanische Schweinepest, der Ukraine-Krieg, die Energiekrise und natürlich der Klimawandel, der die Fleischbranche beeinflusst. Trotz aller Widrigkeiten ist Brand Qualitätsfleisch weitergewachsen – inzwischen arbeiten hier über 300 Beschäftigte. Das Spektrum wurde durch die Geschäftsbereiche Zerlegung und Logistik erweitert. Der Umsatz verzehnfachte sich in den letzten 20 Jahren.

„Wir haben einen extremen Wandel durchgemacht und gestalten als kleines mittelständisches Unternehmen das Thema Ernährung der Zukunft maßgeblich mit“, so das stolze Fazit des Geschäftsführers. Für ihn sind ein gesundes Miteinander und ein ständiger Dialog der Schlüssel für eine gute Betriebsübergabe.

Familie Anja Thiel (r.), Geschäftsführerin von Fördertechnik Thiel, freut sich über den familiären Zusammenhalt.

Dass das häufig leichter gesagt als getan ist, weiß Anja Thiel, Geschäftsführerin von Fördertechnik Thiel in Löningen. Als sie 2011 in das von ihrem Vater Alfred Thiel 1998 gegründete Unternehmen einstieg, tat sie es mit dem Ziel, es eines Tages zu übernehmen. Schnell erhielt sie Verantwortung im Tagesgeschäft, lernte jede Abteilung kennen und arbeitete erst in der Produktion und später im Vertrieb. Für ihren Vater indes war das Thema Betriebsübergabe noch nicht final geklärt. Ein Generationskonflikt, wie Anja Thiel heute vermutet: „Ich glaube, für ihn war der Gedanke, dass eine Frau einen Maschinenbaubetrieb übernimmt, eher abwegig.“ Neben ihrer Mutter in der Buchhaltung war inzwischen auch ihr Bruder Michael Thiel im technischen Bereich des Familienunternehmens tätig. „Und jeder hatte eine andere Meinung darüber, wie die Zukunft von Fördertechnik Thiel aussehen sollte“, beschreibt Anja Thiel die schwierige Situation. Über Jahre gab es dadurch Reibereien und Unstimmigkeiten.

Man einigte sich 2019 während eines längeren Krankenhausaufenthalts von Alfred Thiel. In dieser Zeit erteilte er seiner Tochter Prokura und vertraute ihr so die kaufmännische Geschäftsleitung an. Zusätzlich engagierte die Familie einen Berater, der die Betriebsübergabe begleitete. „Ich empfehle jedem, so eine Beratung in Anspruch zu nehmen. Hätten wir das eher getan, wären wir uns bestimmt früher einig geworden“, weiß die dreifache Mutter heute.

Stück für Stück zog sich Alfred Thiel aus dem Tagesgeschäft heraus. 2022 verabschiedete er sich endgültig in den Ruhestand. Michael Thiel nahm im selben Jahr die Position des technischen Geschäftsführers ein. Inzwischen ist die Familie ein gutes Team, wie die Geschäftsführerin betont: „Ich bin froh, Bruder und Mutter an der Seite zu haben. Regelmäßig frage ich auch meinen Vater um Rat.“ Anja Thiel ist sich bewusst, dass ihre eigene Betriebsübernahme nicht optimal verlaufen ist. Trotzdem ist sie überzeugt: „Besonders im Familienkontext funktioniert es nicht ganz ohne Reibung. Aber das muss nichts Negatives sein.“

Rückkehr Nach seinem Studium und beruflichen Stationen in Berlin und Dortmund ist Maximilian Ruhe zurückgekehrt ins Oldenburger Münsterland. Seit 2020 steuert er von seinem Büro in Lüsche aus die Geschicke des Unternehmens Ruhe Biogas.

In Familienunternehmen überlappen oft die Grenzen zwischen beruflich und privat – so auch in der Ruhe Unternehmensgruppe in Lüsche. Für Maximilian Ruhe ist der Umgang damit eine tägliche Aufgabe. „Mein Vater und ich sind uns sehr ähnlich. Deswegen ist es wichtig, dass wir unsere Verantwortlichkeiten vorab gut strukturiert haben. So konnten wir uns von Beginn an in der gemeinsamen Arbeit gut ergänzen.“

Gegründet 2010 von seinem Vater Kunibert Ruhe, verwaltet die Unternehmensgruppe Betriebe in der Landwirtschaft sowie der Biogas- und Fernwärmeproduktion und versorgt so die Region mit Strom und Wärme. Da ein Großteil der Biogasanlagen in Deutschland 2030 ihre Festvergütung für den erzeugten Strom verliert, erarbeitete die Ruhe Biogas Lösungen für die Zukunft von Biogasanlagen, etwa durch Veredelung von Biogas zu Biomethan, dem nachhaltigen Kraftstoff Bio-LNG und Bio-LCO₂, das unter anderem zu Trockeneis oder grüner Kohlensäure veredelt werden kann. Dieser Geschäftsbereich wurde dem Bereich Ruhe Biogas angegliedert. Nach intensiven Gesprächen mit seinem Vater im Jahr 2020 übernahm der damals 25-Jährige hierfür die Geschäftsleitung.

„Es war nicht von Anfang an klar, dass ich mal im Familienunternehmen arbeiten würde“, sagt Maximilian Ruhe. „Obwohl mich Landwirtschaft und Biogas schon immer interessiert haben“, fügt er hinzu. Zuvor hatte er ein Start-up gegründet und im Zusammenhang damit nach dem Studium für etwa zweieinhalb Jahre in Berlin und Dortmund gearbeitet. Dann aber kehrte er in seine Heimat zurück. „Es hat sich wie ein Start-up im Familienunternehmen angefühlt, wo ich viele eigene Ideen und Impulse mit einbringen konnte“, sagt er rückblickend. Das habe für ihn den Reiz ausgemacht. Mit der neuen Geschäftssparte entwickelten sich auch internationale Geschäftsbeziehungen – optimal um seine Sprach- und Fachkenntnisse aus dem Masterstudium „International Business“ anzuwenden. „Trotzdem hatte ich Respekt vor der Aufgabe. Es war auch ein Sprung ins kalte Wasser, da der Bereich komplett neu für mich war“, räumt Ruhe ein. Doch ein enger Austausch mit seinem Vater half ihm, sich zurechtzufinden. Den Einstieg ins Familienunternehmen habe er nie bereut.

Verantwortung, Verlässlichkeit und Zusammenhalt bilden die klassischen Werte der Familienunternehmen im Oldenburger Münsterland. Wichtig, denn so können jederzeit Brücken über die Herausforderungen geschlagen werden, die familiäre Beziehungen in Zusammenhang mit geschäftlichen Entscheidungen möglicherweise verursachen können. So lässt sich Tradition mit Innovation verbinden und eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge regeln.

Immer gut beraten!

Eine externe Beratung erleichtert oft den Prozess der Betriebsübergabe. Unterstützung können Unternehmen über die Wirtschaftsförderungen der Landkreise Cloppenburg und Vechta, die Handwerkskammer oder die Industrie- und Handelskammer (IHK) erhalten.

Wirtschaftsförderung, Landkreis Cloppenburg

Eschstraße 29
49661 Cloppenburg
Tel.: 04471 15236
wirtschaft@lkclp.de

Wirtschaftsförderung, Landkreis Vechta

Ravensberger Str. 20
49377 Vechta
Tel.: 04441 8980
info@landkreis-vechta.de

Handwerkskammer Osnabrück

Bramscher Straße 134-136
49088 Osnabrück
Tel.: 0541 69290
info@hwk-osnabrueck.de

Kreishandwerkerschaft Cloppenburg

Pingel-Anton 10
49661 Cloppenburg
Tel.: 04471 1790
info@handwerk-cloppenburg.de

Kreishandwerkerschaft Vechta

An der Gräfte 22
49377 Vechta
Tel.: 04441 9410
mail@handwerk-vechta.de

Oldenburgische Industrie- und Handelskammer

Moslestraße 6
26122 Oldenburg
Tel.: 0441 22200
info@oldenburg.ihk.de

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