Heimatverbundenheit trifft auf Weltoffenheit — ein Erfolgsgeheimnis.
Der Erfolg kommt nicht von ungefähr. Harte Arbeit zahlt sich aus. Seit Jahrzehnten erzählt man sich sowohl stolz als auch leicht amüsiert von den Anfangstagen mancher Firmen. Der Gründer von Wiesenhof etwa sei einst mit dem Fahrrad über Land unterwegs gewesen und habe seine Hühner vom Gepäckträger aus verkauft. Bei Wernsing habe man die ersten Kartoffelsalate in der Badewanne gemischt. Und Pöppelmann in Lohne, ein Unternehmen, das inzwischen mehr als 2.000 Mitarbeiter beschäftigt, ging aus einer 1949 im Hühnerstall gegründeten Korkenfabrik hervor.
Gründergeist hin, Gründergeist her: Noch in den 1970er Jahren betrug die Arbeitslosigkeit trotz solch kreativer Methoden in Teilen der Kreise Cloppenburg und Vechta über 30 Prozent. Heute liegt sie bei weniger als fünf. Und das Wirtschaftswachstum erreicht Jahr für Jahr Höchstwerte.
Laut der von Pricewaterhouse Coopers und dem Hamburger Weltwirtschaftsinstitut veröffentlichten Studie „Deutschland 2030 – die Arbeitsplätze der Zukunft" führt der Landkreis Vechta das aktuelle Wachstums-Ranking an. Und Cloppenburg folgt dicht dahinter auf Rang sieben von 325. Zudem kommt die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass es bis 2030 überhaupt nur in sechs deutschen Landkreisen ein Beschäftigungs-Plus von mehr als 7,5 Prozent geben wird. Cloppenburg und Vechta zählen dazu.
Das frühere Kellerkind im Nordwesten hat längst seinen Platz im Spitzenfeld gefunden. Erstaunlich? Ja und nein. Denn nicht die Ansiedlung von Hochtechnologie sorgte wie andernorts für die Trendwende. Vielmehr zeichneten die Bewohner der Region selbst dafür verantwortlich. Einen Masterplan, der die Entwicklung auf geduldigem Papier vorskizzierte, hat es nie gegeben. Aber als sich die Chance ergab, die richtigen Weichen zu stellen, griff man beherzt zu.
Auslöser für den Aufschwung der Region war die Fertigstellung der Bundesautobahn 1. Seither fühlt man sich in Lohne und Vechta, in Damme, Cloppenburg und den 19 anderen Gemeinden nicht mehr vom Rest der Republik abgekoppelt. Im Gegenteil: Die Lage zwischen den deutschen Seehäfen und dem Ruhrgebiet wurde zum großen Standortvorteil. Die Verkehrsanbindung hat den tiefgreifenden Strukturwandel entscheidend mit angeschoben und die Unternehmen wettbewerbsfähig gemacht.
Obwohl heute nur noch 3,3 Prozent der Beschäftigten im Kreis Vechta in der Land- und Forstwirtschaft tätig sind, darf sich die lange Zeit weitgehend bäuerlich geprägte Region mit Fug und Recht mit dem Titel „Silicon Valley der Agrartechnologie" schmücken. Die „fest verwurzelte Nahrungsmittelindustrie deckt von der Erzeugung von Futtermitteln über die Tierzucht bis hin zur Verarbeitung und Vermarktung die gesamte Wertschöpfungskette ab", schreiben die Autoren der Studie „Deutschland 2030 – die Arbeitsplätze der Zukunft".
Stark vertreten sind ferner der Maschinen- und Anlagenbau, die Ernährungswirtschaft sowie die Bauwirtschaft. Das Oldenburger Münsterland hat sich darüber hinaus zu einem Zentrum der europäischen Kunststofftechnik entwickelt. Und jede dieser Branchen verfügt über großes Zukunftspotenzial, Fachkräfte werden fast überall gesucht. Dem Nachwuchs eine Chance!
Die Botschaft lautet: Um sich wie gewünscht entfalten zu können, müssen junge Menschen mit Ambitionen nicht zwangsläufig in große Städte gehen. Auch der ländliche Raum bietet hinreichend Möglichkeiten. Neben der Heimatverbundenheit liegt gerade darin für viele hier Geborene die Motivation, nach ihrer Ausbildung und ersten Berufsjahren in anderen Regionen nach Lohne, Damme oder Friesoythe zurückzukehren.
Die Entscheidungswege sind kurz, Pragmatismus ist gefragt und Klartext der bevorzugte Sprachstil.
Hier stehen sie für neue Impulse. „Die überproportional hohen Geburtenraten und der dadurch hohe Anteil junger Menschen strahlen positiv auf die Wirtschaftsentwicklung aus – und umgekehrt", konstatierte das renommierte Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung in einer Analyse schon vor Jahren. Beispiele: Das weltweit erste Kreislaufsystem für Polyethylenkunststoffe wurde im Oldenburger Münsterland entwickelt. High-Tech-Komponenten für die Weltraumfahrt stammten ebenso aus der Region wie das Rennrad, mit dem Jan Ulrich 1993 Weltmeister wurde.
Nicht zu vergessen der Tourismus, ebenfalls ein wichtiger Faktor für die positive Entwicklung. Die Statistik wies bei den Übernachtungen zuletzt einen beachtlichen Zuwachs aus. Feriengästen bieten sich fünf Erholungsgebiete als attraktive Reiseziele an – jedes mit einem ganz eigenen und unverwechselbaren Profil. Sowohl Radwanderer und Wassersportler als auch Natur- und Kulturfreunde finden hier passende Angebote. Häufig gilt: Wer einmal da war, kommt gern wieder.
Und Urlauber stoßen immer wieder auf Unerwartetes. Carneval in Damme? Warum nicht! Fröhliche Närrinnen und Narren haben ihn längst zum größten im Norden gemacht. Oder ein Ausflug ins Saterland: Hier ist nicht nur die Heimat von Deutschlands letztem schiffbaren Fehnkanal, sondern ebenso die von Europas kleinster Sprachminderheit. Im Goldenstedter Moor legen jeden Herbst Zehntausende von Kranichen einen Zwischenstopp auf ihrem weiten Weg in wärmere Gefilde ein.
Andere Regionen im ländlichen Raum versuchen längst, sich am Oldenburger Münsterland zu orientieren und hinter sein Erfolgsrezept zu kommen. Das gelingt indes kaum. Sein Geheimnis hat nämlich viel mit den besonderen Voraussetzungen zu tun. Mit den Menschen, die hier leben und die so mancher Schwierigkeit getrotzt haben. Ewigkeiten waren sie durch die weiten Moorlandschaften von der Außenwelt isoliert und auf sich selbst angewiesen.
Das schweißt zusammen und fördert die tief verwurzelte Mentalität der Selbstständigkeit. Zudem sind die Entscheidungswege kurz, ist Pragmatismus gefragt und Klartext der bevorzugte Sprachstil. Ferner zeigt sich, wie wichtig es ist, dass die Landkreise Cloppenburg und Vechta, die einst zum festen Bestandteil des ehemaligen Oldenburger Landes zählten, auf regionale Eitelkeiten verzichten und gemeinsame Sache machen.
Das alles lässt sich glücklicherweise nicht so einfach kopieren. Und im Zweifelsfall ist das Original sowieso besser als jede Nachahmung. Davon haben dann später auch die folgenden Generationen etwas. Zum Beispiel die, die jetzt noch so fröhlich in der Kita in Bühren herumtoben.