Mit Alpakas spazieren

Wollige Weggefährten

Sie sehen extrem flauschig aus, gehören zur Familie der Neuweltkameliden und haben große dunkle Augen zum Verlieben: Alpakas erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Im Landkreis Cloppenburg kann man mit den Andenbewohnern sogar spazieren gehen – unter anderem bei ­Herzog Alpakas in Emstek. Christina und Andreas ­Klövekorn sind 2016 dem Alpakafieber erlegen. „Eigentlich hatten wir nur nach ein paar Tieren gesucht, die helfen, das Gras auf den Pferdeweiden kurz zu halten", erinnert sich Christina. Schnell wurde daraus eine ganze Herde. Inzwischen haben die Klövekorns rund 50 Alpakas, sind in der Zucht tätig und bieten regelmäßig geführte Spaziergänge an. 

Während wir auf den Start unserer Tour warten, lassen wir uns die Morgensonne ins Gesicht scheinen. Es ist kalt an diesem letzten Sonntag im Februar, doch der strahlend blaue Himmel verspricht allerbestes Spazierwetter. Schon traben acht Alpakas den Hof hinauf, recken ihre Hälse und schauen neugierig zu uns hinüber.

Christina beginnt mit einer kurzen Einführung. Schon ihr erster Satz sorgt für Aufruhr: „Alpakas sind keine Kuscheltiere. Sie sind Distanztiere und vermeiden sogar innerhalb der Herde, einander zu berühren", erklärt sie. Verunsicherte Blicke in der Gruppe. Kuscheln ist also in den nächsten anderthalb Stunden nicht erlaubt? Christina lacht. „Natürlich dürft ihr sie ab und an streicheln, aber dann bitte nur im Halsbereich." Puh, Glück gehabt.

TEAMGEFÜGE Leine in die Hand und los gehts: Unser Alpaka Athos ist das Leittier der Herde.

Während Christina uns den Unterschied zwischen Huacayas und Suris erklärt (s. Infokasten S. 42), nehmen die Tiere uns mit ihrem wachen Blick unter die Lupe. „Wenn ein Alpaka etwas am Straßenrand beobachtet, bleibt es stehen, um genauer hinzuschauen. Dann hält meist die ganze Gruppe an." Christina soll mit ihrer Prophezeiung Recht behalten. Dazu später mehr. 

Es geht an die Verteilung der Tiere. Schnell fällt unsere Wahl auf Athos, einen grauen Huacaya-Hengst. Sein Blick ist forsch. Als wir uns langsam in Bewegung setzen, kommen wir ins Gespräch mit Marie und Carolin. Die Schwestern aus Essen (Oldb.) sind schon nach wenigen Metern Feuer und Flamme. „Ich habe einen Gutschein für den Spaziergang zum Geburtstag geschenkt bekommen", erzählt die eine. „Und ich hatte Glück und wurde als Begleitung auserkoren", ergänzt die andere. Wir möchten uns noch ein wenig austauschen, doch der graue Tango hat andere Pläne. Schnell drängelt er sich mitsamt den Mädels an die Spitze der Gruppe.

„Alpakas sind sehr neugierige Tiere", erklärt Christina Klövekorn.

„In den ersten Minuten testen die Tiere aus, was sie sich bei euch erlauben dürfen", schmunzelt Christina, die die Szene beobachtet hat. Wie war das? Unser Athos ist das Leittier der Gruppe und läuft gern vorn? Heute hat er andere Pläne. Der Hengst bummelt gemütlich vor sich hin, immer ein paar Schritte hinter uns. Und auch einige andere Tiere haben jede Menge Zeit. Sie schauen zu uns, zu ihren Artgenossen, zum Wegesrand ... nur nicht nach vorn. Allmählich wird uns klar, was das Besondere an einem Alpakaspaziergang ist. Man entspannt sich, lässt sich ganz auf das Tempo des Tiers ein – und vergisst dabei Sorgen und Alltagsstress. „Der Umgang mit Alpakas wirkt beruhigend", bestätigt Christina. Das kann nicht nur Workaholics runterbringen, sondern wird auch immer öfter zu Therapiezwecken genutzt. Zum Beispiel bei Kindern.

TRAINING Auf ihrem Hof bildet Bettina Götting Alpakas zu Therapietieren aus.

Eine, die sich diese besondere Eigenschaft der Alpakas zunutze gemacht hat, ist Bettina Götting. Die 37-Jährige hält eine kleine Alpakaherde in Cappeln und bietet unter dem Namen „Alpaka-Glanz" Lerntherapie für Schulkinder an. Über ihre Beweggründe erzählt die Förderschullehrerin: „Ich möchte den Kindern außerhalb des Schulumfelds die Möglichkeit geben, sich auszuprobieren und so ihre Lernblockaden zu lösen." Ihren Traum, Kinder auch im therapeutischen Bereich zu unterstützen, hat sie 2016 verwirklicht. Als sie bei einer Heimtiermesse von den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Alpakas erfuhr, war ihr klar: „Mit diesen Tieren möchte ich arbeiten." 

Alpakas haben ein ruhiges Wesen und sind dadurch gut geeignet für hyperaktive Kinder und solche mit Konzentrationsschwierigkeiten. Da sich ihre eigene Stimmung auf die Alpakas überträgt, müssen die Kinder entspannen, wenn sie mit ihnen in Kontakt treten. „Der Wille, dem Tier nahe zu sein, ist das Grundprinzip der Therapie", erklärt Bettina.

BEGEISTERUNG Die Alpakazucht ist für Christina Klövekorn eine Leidenschaft.

Das Angebot von Alpaka-Glanz ist in der Region einzigartig. Dabei kommen auch Esel zum Einsatz. „Vor allem Kinder möchten Wärme und Nähe spüren. Mit den Eseln ist das möglich. Sie können sie streicheln und mit ihnen kuscheln." Die beiden Tierarten ergänzen sich also hervorragend. So wie Bettina Götting und die Klövekorns. 

Bei den Alpakas vergisst man Sorgen und Alltagsstress.

Zurück nach Emstek: Wir sind nun schon eine Weile mit unseren tierischen Begleitern unterwegs und genießen den Ausblick über die sonnenbeschienenen Wiesen und Felder. Plötzlich zieht Athos an der Leine und läuft zu ungeahntem Tempo auf. „Er kennt die Strecke und weiß, dass wir nun auf dem Rückweg sind", sagt Christina Klövekorn grinsend. Ganz so schnell geht es dann aber doch nicht. Der zweijährige Suri-Hengst Bowser hat einen Schwarm Vögel entdeckt und bleibt verdutzt stehen.

MEHRZWECK Aus Alpaka-Vlies wird auch Seife hergestellt.

Einige andere tun es ihm nach, und schon gerät die ganze Kolonne ins Stocken. Macht nichts, denken wir uns, denn so können wir Andreas Klövekorn noch ein paar Fragen stellen. Er erklärt uns, welche besonderen Eigenschaften Alpakawolle hat. „Das Vlies ist fünfmal wärmer als Schafwolle, thermoregulierend und durch seine antibakteriellen Eigenschaften extrem allergikerfreundlich."

Alpakas sind also nicht nur putzig anzuschauen, sondern auch kleine Multitalente. Nur eines mögen sie nicht: zu hohe Temperaturen. „Wenn es wärmer als 25 Grad ist, setzen wir unsere Spaziergänge aus. Es ist für die Tiere einfach zu heiß", erklärt Andreas.

FAZIT Ein toller Tag geht zu Ende – da darf ein Erinnerungs-Selfie nicht fehlen.

Der Vogelschwarm ist inzwischen weggeflogen, die Gruppe setzt sich wieder in Bewegung. Wir treffen Lena, die den Spaziergang gemeinsam mit ihrem Freund macht. Sie ist ebenso begeistert wie wir. „Am liebsten würde ich Striker mit nach Hause nehmen", schwärmt sie. Doch es sind nur noch wenige Minuten, bis wir unsere flauschigen Begleiter zurück auf die Weide entlassen müssen. Schade eigentlich, denn so richtig trennen können wir uns wohl alle nicht. Also doch ein Alpaka für den eigenen Garten? Andreas Klövekorn lacht. „Alpakas sind nicht so pflegeleicht, wie man vielleicht glauben mag." Bei vielen privaten ­Halter:innen und auch in einigen Zoos leben die Tiere nicht artgerecht, berichtet er. Die Anschaffung sollte also wohlüberlegt sein. Bei Einstiegs­seminaren lernen künftige Alpakabesitzer:innen deshalb den richtigen Umgang mit den Tieren. Die Klövekorns bilden sich regelmäßig weiter. Zum Beispiel rund ums Thema Zucht, zu Erste-­Hilfe-Maßnahmen am Tier oder zum richtigen ­Weidenmanagement. 

Alpakas sind wahre Alleskönner – aber im Sommer wird es ihnen schnell zu warm.

Apropos Weide: Wir sind am Ende unserer Tour angelangt und müssen Abschied nehmen. Andreas zeigt uns, wie man das Halfter abnimmt, und schon trabt Athos davon. Wir beobachten verblüfft, was dann passiert: Die gesamte Gruppe läuft zielstrebig auf eine Ecke der Weide zu - und fängt an zu pinkeln. „Tatsächlich sind Alpakas ein bisschen wie wir Menschen", schmunzelt Christina. „Unterwegs halten sie aus, aber sobald sie zuhause sind, geht es als erstes auf die Toilette." Schon wieder haben wir etwas über Alpakas gelernt. Eine Tour mit den Klövekorns ist also nicht nur spaßig, sondern auch ganz schön interessant. Und eins steht fest: Athos, Striker, Tango und Co. haben unser Herz gestohlen. Dieses Alpakafieber sollte man wirklich nicht unterschätzen.

NACHWUCHS Da Fohlen die meiste Wärme über den Hals verlieren, wird dieser in der ersten Zeit nach der Geburt mit einem Schal warm gehalten.

Von Suris und Huacayas

Alpakas gehören zur Familie der Neuweltkameliden und werden in ihrer Heimat, den südamerikanischen Anden, vor allem wegen ihrer Wolle gezüchtet. Man unterscheidet zwischen den weit verbreiteten Huaca­yas und den seltenen Suris. Letztere machen nur etwa fünf Prozent des weltweiten Alpakabestands aus. Ihr Fell ist lockiger und länger als das dichte, weiche Vlies der Huacayas. Mit etwa 3,5 Millionen Tieren sind rund 80 Prozent aller Alpakas in Peru beheimatet. In Deutschland leben ca. 20.000 Tiere. Vor allem im Süden des Landes ist die Alpakazucht verbreitet. Alpakas können bis zu 25 Jahre alt werden.