Viele Motive

Mal mal das OM!

Kunst kann vieles sein: schreiend laut und mucksmäuschenstill, aufbegehrend und angepasst, berührend und abstoßend. Oder einfach nur ... schön. Wenn Künstler:innen es verstehen, ihrem Innersten in einem Bild Ausdruck zu verleihen, dann kann das Betrachten eines solchen Bildes zu einem sehr besonderen Moment werden. Und wenn sie es dann zusätzlich noch schaffen, ihre Umgebung nicht nur als Kulisse, sondern bestenfalls als Bestandteil ihres Lebens einzubinden, dann steht einem vollendeten Kunstgenuss kaum noch etwas im Weg. 

Für diese Ausgabe unseres Magazins haben wir fünf Kunstschaffende aus dem Oldenburger Münsterland gebeten, uns ihr Bild der Region zu zeigen. Gern eine typische Landschaft, ein prägnantes Gebäude, vielleicht einen Augenblick, der so schnell nicht wiederkehrt. Alles geht, haben wir unseren Protagonist:innen mit auf den Weg gegeben. Das Ergebnis war mehr als erfreulich: Binnen weniger Tage hatten wir unser Wunschquintett zusammen. Ingrid Golletz hat sofort zugesagt, auch Andrej Frankowski. Gerd Binder ist dabei, ebenso Margarita Winkelmann und Irena von Schemde. Eine feine Auswahl, die jeder Kunstgalerie gut zu Gesicht stehen dürfte. 

Wie sehen sie also aus, die Bilder vom Oldenburger Münsterland? Kommt ganz darauf an, lautet die Antwort. Denn die Kunstschaffenden präsentieren ihre Heimat so vielfältig wie diese sich selbst. Das Hasetal ist nicht mit dem Erholungsgebiet Thülsfelder Talsperre zu vergleichen. Der Nordkreis Vechta ist ebenso einzigartig wie die Region Barßel und Saterland oder die Dammer Berge. Das wird in allen Werken, die uns zur Verfügung gestellt wurden, deutlich. Gerade das macht die Attraktivität des Oldenburger Münsterlands aus.

Ingrid Golletz aus Löningen malt das Hasetal so, wie sie es fühlt.

Ende der 1980er-Jahre kam Ingrid Golletz aus dem polnischen Opole ins Oldenburger Münsterland. Löningen wurde schnell zu ihrer neuen Heimat. Als „wunderschönes und lebenswertes Fleckchen auf der Erde", beschreibt sie sie. Vor allem die Weite und die Ruhe genießt sie hier: „Das alles symbolisiert Freiheit für mich." Und die gelernte technische Zeichnerin zeigt ihre Begeisterung fürs Hasetal auch in ihren Bildern.

Kunst begleitet die heute 51-Jährige bereits ihr ganzes Leben lang. 1974, mit gerade 13, nahm sie an der Olympiade der jungen Künstler in Malapane teil, ebenso im Folgejahr. Als wichtigste Inspirationsquelle für ihre Malerei dient ihr die Natur, der sie sich eng verbunden fühlt. „Was ich mache, kommt immer vom Herzen", sagt sie. „Ich schaue und horche in mein Inneres und male dann das, was ich fühle."

Ihr Atelier hat Ingrid Golletz in Räumlichkeiten ihres Familienbetriebs eingerichtet, einem Spezialisten für Verpackungen. Der Kontrast reizt sie: hier die Produktion, dort die Kunst. „Ich mag den Wechsel, die Veränderung, die Entwicklung. Daraus entstehen Spannung und Kreativität. Also genau das, was ich in meinen Bildern ausdrücken möchte." Ein markantes Beispiel dafür ist ihr Bild „Löningen in der Abenddämmerung".

Gerd Binder aus Friesoythe hat einfach mal mit Acrylfarbe losgelegt.

Er hat im Technologiezentrum ausgestellt und im Kloster, in der Sparkasse und im Polizeikommissariat. Keine Frage also: Gerd Binder und seine Kunst sind bereits ganz schön herumgekommen. Der gebürtige Berliner, der 1995 der Liebe wegen nach Friesoythe kam, mag Bilder, auf denen man – wie er sagt – „auch etwas erkennen kann". Das war allerdings nicht immer so. „Ich hatte auch mal eine abstrakte Phase", fügt er hinzu. 

Binder ist Autodidakt. „Irgendwann habe ich mir mal Acrylfarbe gekauft", erinnert er sich. Benutzt hat er sie aber erst ein gutes Jahr später. Und daran dann tatsächlich Gefallen gefunden. Es folgten ein paar Kurse und schließlich die Erkenntnis, dass die Mal­praxis die beste Lehrerin ist. Zumal in einer Stadt wie Friesoythe. Motive ohne Ende finde er dort, berichtet der 59-Jährige – viel Natur, aber eben auch charakteristische Gebäude wie das ehemalige Polizeirevier.

Die Eisenstadt hat der Hauptkommissar längst in sein Herz geschlossen. Er schätzt die Nähe zur Küste ebenso wie die Ruhe, das Abgeschiedene und das vergleichsweise geringe Verkehrsaufkommen. „Da war ich aus Berlin natürlich ganz andere Verhältnisse gewohnt." Und was macht er, wenn neben Job und liebstem Hobby noch ein bisschen Zeit übrig bleibt? „Dann schwinge ich mich aufs Fahrrad und düse los."

Irena von Schemde aus Vechta entdeckte 2006 ihr Talent zum Malen.

Irena von Schemde hat sich zu einer erfolgreichen Auftragsmalerin entwickelt. Ihr Faible gilt fotorealistischen Darstellungen. „Ich erfülle meiner Kundschaft ihre Wünsche", sagt sie. Am Anfang einer Arbeit steht immer eine Idee, dann folgen Motivauswahl und Inspiration. Als Vorlage dienen häufig Fotografien – wie auch bei der Aufnahme vom Stoppelmarkt-­Karussell, das 2021 nach einer Aufnahme des Fotografen Heinz Zurborg entstanden ist. Sie habe das Bild in einer Autowerkstatt entdeckt und sei sofort Feuer und Flamme gewesen. 

Ihre ersten künstlerischen Gehversuche unternahm Irena von Schemde 2003, zwei Jahre später zog sie aus ihrer polnischen Heimat Stettin nach Hamburg. 2019 wurden die Umzugskartons erneut gepackt, nun ging es mit ihrer Familie nach Vechta. „Wir haben uns hier wunderbar eingelebt", betont sie. Und an Motiven gebe es keinen Mangel. „Man muss nur mit offenen Augen durch die Stadt gehen und wachsam bleiben."

Auch wenn die Malerei neben den beruflichen Verpflichtungen als medizinische Fachangestellte im Krankenhaus natürlich ein Hobby bleibt, nimmt sie einiges an Zeit in Anspruch. „Wenn nötig", unterstreicht die 37-jährige Künstlerin, könne sie auch „sechs oder sieben Stunden hintereinander malen". Und wehe, dann stört jemand ...

Andrej Frankowski aus Holdorf bringt seine Fantasien auf Papier.

Wenn Betrachter:innen seiner Bilder den Geruch der Blumen atmen, das Rauschen des Meeres hören oder den Frost des Winterabends spüren, dann ist Andrej Frankowski zufrieden. Wenn sie merken, wie das Laub raschelt und der Schnee knistert, dann hat er sein Ziel erreicht. Das nämlich passt in einen ganz simplen Satz: „Kunst muss man fühlen." Nicht drüber reden, nicht ausführlich erklären, sondern fühlen!

Der 50-Jährige, geboren am Tag vor Heiligabend, ist seit 1997 in Holdorf zuhause, gelegen inmitten des Erholungsgebiets Dammer Berge. Sein Bild zeigt die Hunte, die von Melle im Osnabrücker Land kommend den Dümmer durchfließt und schließlich in die Weser mündet. „Wer hier lebt, liebt diesen Fluss", weiß Frankowski zu berichten. 

Das Talent für die Kunst habe er von seinem Vater geerbt, sagt er. Schon in jungen Jahren sei es ihm leichtgefallen, „die Fantasien aus meinen Gedanken auf Papier zu bringen". Später habe er die großen Maler wie Rubens, da Vinci oder Picasso bewundert und versucht, ihnen nachzueifern. Heute stellt sich Frankowski immer öfter die Frage, wozu die Menschen eigentlich Kunst brauchen. Seine Antwort: um die Welt kennenzulernen und harmonisch in und mit ihr zu leben. „Und ich bin erstaunt, wie viel ich immer noch nicht von ihr weiß."

Margarita Winkelmann aus Elisabethfehn liebt Wasser und Bilder davon.

Manchmal nimmt das Leben Wendungen, die sich am Ende als die genau richtigen herausstellen. So wie bei Margarita Winkelmann. Ihre Wegbeschreibung trägt den Titel „Eine Lettin in Elisabethfehn" und erzählt von einer jungen Frau, die 2009 als Au-pair in den deutschen Nordwesten kam und sich hier in ihren späteren Mann (ihren Klavierlehrer!) und die Region verliebte. Klingt romantisch? Ist es ja auch. 

Lettland hat 500 Kilometer Küstenlinie. Kein Wunder also, dass sich Margarita Winkelmann nah am Wasser besonders wohl fühlt – und damit auch in der Region Barßel und Saterland mit ihren Flüssen und Kanälen und der Nähe zur Nordsee. Mit der Malerei kam sie hier erstmals in Berührung. Eine befreundete Fotografin habe ihr Aufnahmen von Tropfen gezeigt, die sie dann versuchte nachzumalen.

Wer die Bilder der heute 34-Jährigen sieht, mag gelegentlich gar nicht glauben, dass es sich nicht um Fotografien handelt. Die Airbrush-Technik macht's möglich. Dabei trägt sie die Farbe mithilfe einer Spritzpistole auf, mit dem Pinsel nimmt sie Verfeinerungen vor. Für das Gemälde, das sie hier zeigt, diente der Elisabethfehnkanal und die Schleuse Dreibrücken als Inspiration. Allerdings, so fügt Margarita Winkelmann an, handele es sich nicht um eine fotorealistische Darstellung der Örtlichkeit.